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Den passenden Führungsstil entwickeln? Mit situativer Führung!
Wie will ich führen? Welcher Führungsstil passt zu mir und meinem Team? Wie entwickle ich meinen eigenen Führungsstil?
Diese Fragen stellen sich viele Führungskräfte, vor allem am Anfang ihrer Karriere. Oft steckt dahinter der Gedanke, dass es einen perfekten Führungsstil gibt, der sowohl zu einem selbst, als auch zum Team und zur Arbeit passt.
Dazu kommen dann schnell weitere Fragen: Wie motiviere ich mein Team zu selbstständigerem oder sorgfältigerem Arbeiten? Warum klappt die Projektübergabe an Mitarbeiterin X gut, bei Mitarbeiter Y jedoch nicht? Was braucht Kollegin Z im Moment von mir? Was kann ich aktuell leisten? Wie schaffen wir es, unsere Aufgaben termingerecht zu erledigen? Wie bleiben wir wettbewerbsfähig?
Diese Fragen und die Sachverhalte, die man sich dahinter vorstellen kann, lassen vermuten, dass es nicht den einen Führungsstil gibt, der immer passt.
Das wäre auch verwunderlich in Zeiten des Wandels und der Überraschungen. Die Arbeitswelt verändert sich rasant, und viele Jobs erfordern ständige Anpassung an neue Herausforderungen. Es geht nicht nur darum, wie etwas gemacht wird, sondern auch darum, neue Wege zu finden und auszuprobieren, was funktioniert.
Wie also sieht Führung aus, die flexibel, effizient und anpassungsfähig auf die sich ständig verändernden Anforderungen von Menschen, Situationen und Unternehmenszielen reagiert?
Situativer Führungsstil = resiliente Führung
Die Idee eines situativen Führungsstils ändert die Perspektive: Es geht nicht mehr darum, den einen oder den besten Führungsstil zu finden, sondern darum, für die jeweilige Situation, den spezifischen Kontext und die Konstellation von Mitarbeitenden und Führungskraft den passenden Ansatz zu finden.
Führung wird damit zu einer flexiblen, kontextabhängigen Aufgabe, die immer wieder neu angepasst und überprüft werden muss.
Für die Führungskraft ist dies sowohl Herausforderung als auch große Chance – für die eigene Weiterentwicklung, für die Förderung des Teams und für die Resilienz des Unternehmens angesichts stetiger Veränderungen und neuer Anforderungen.
Situative Führung ist daher nicht einfach eine von vielen Führungsstilen mit Vor- und Nachteilen. Vielmehr ist sie sowohl notwendig als auch eine echte Chance, um den heutigen Anforderungen an Führung gerecht zu werden.
Situative Führung: Der Ursprung
In ihrem Ursprung und auch in vielen aktuellen Artikeln zum Thema ‚situative Führung‘ wird diese als weit weniger komplex und vielversprechend beschrieben, als sie in meinen Augen ist. Dennoch lohnt sich ein Blick auf die Anfänge:
In den 70er Jahren schlugen Paul Hersey und Ken Blanchard vor, Mitarbeitende entsprechend ihrem individuellen Reifegrad zu führen.
Sie beschrieben vier verschiedene Führungsstile, die sich an den Reifegeraden der Mitarbeitenden orientieren. Die Grundidee ist, dass Führungskräfte das Maß an Anweisung und Unterstützung an den jeweiligen Entwicklungsstand der Mitarbeitenden anpassen: Mitarbeitende mit geringem Reifegerad, die neu im Unternehmen oder im Job sind, benötigen demnach vor allem klare Anweisungen. Erfahrenere Mitarbeiter hingegen profitieren mehr von Unterstützung zur Selbstständigkeit, um dann schließlich auch mit sehr wenig Anweisung und Unterstützung Aufgaben übernehmen zu können.
Angesichts der Führungssituationen und die vielfältigen, teilweise ständig wechselnden Arbeitssituationen denke, die ich selbst als Führungskraft erlebt habe oder von denen mir als Coach berichtet wird, finde ich es einerseits nützlich, die 4 Stufen der situativen Führung zu kennen und gleichzeitig zu kurz gegriffen, diese nur auf den situativen Reifegrad der Mitarbeitenden zu beziehen.
Nützlich ist es, sich als Führungskraft – und natürlich auch als Mitarbeitende – bewusst zu sein, dass es verschiedene Arten der Führung gibt, die sich sowohl im Maß an konkreten Anweisungen als auch in der Unterstützung zur Weiterentwicklung unterscheiden und je nach Situation flexibel eingesetzt werden können.
Die 4 Stufen des situativen Führungsstils.
Im Grunde sind es nicht 4 getrennte Stufen, sondern ein ganzes Kontinuum verschiedener Führungsstile. Zu Vereinfachung hilft es dennoch, sich diese als 4 unterschiedliche Varianten anzuschauen. Ich beschreibe sie bewusst in ihren Extremen – die es in der Arbeitsrealität, die mir bekannt ist, kaum gibt, aber dennoch zum Verständnis beitragen.
Du findest hier für jede Stufe eine kurze Beschreibung und Beispiele, in welchem Kontext sie passend sein können – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, sondern als Anregung, um deine eigenen Beispiele zu ergänzen:
1. Anweisen & diktieren:
Vollständige Anweisungen zur Durchführung der Aufgabe, ohne Unterstützung zur Weiterentwicklung.
In diesem Fall gibt die Führungskraft der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter ganz genaue Anweisungen, was zu tun ist und wie es zu tun ist. Die Verantwortung dafür, dass die Aufgabe vollständig und korrekt ausgeführt wird, liegt dabei hauptsächlich bei der Führungskraft.
Diese Art der Führung kann besonders hilfreich sein, wenn hoher Zeitdruck herrscht, bei kurzfristigen Projekten, oder wenn es nicht die Aufgabe der Führungskraft ist, die Mitarbeitenden weiterzuentwickeln. Sie kann auch eine Entlastung für Mitarbeitende sein, die gerade keine zusätzliche Verantwortung übernehmen möchten oder können.
Dieser Führungsstil funktioniert allerdings nur dann gut, wenn es eine klare, beste Methode gibt, die Aufgabe zu erledigen – und diese Methode der Führungskraft vollständig bekannt ist.
2. Coachen & erläutern:
Umfangreiche Anweisungen und Hinweise, kombiniert mit viel Unterstützung und Feedback.
In diesem Fall gibt die Führungskraft klare Anweisungen und begleitet die Mitarbeitenden intensiv bei der Durchführung der Aufgabe. Sie bietet regelmäßig Hilfestellungen und gibt kontinuierlich Feedback. Beide Seiten – Führungskraft und Mitarbeitende – müssen sich in diesen gemeinsamen Prozess stark einbringen, was Zeit und Motivation erfordert. Dadurch entsteht ein geführter Lernprozess für die Mitarbeitenden.
Dieser Ansatz eignet sich besonders gut, wenn es darum geht, Mitarbeitende weiterzuentwickeln, indem die Führungskraft Anweisungen mit Beobachtungen und Feedback kombiniert. Dieser Wechsel zwischen Anleitung und Unterstützung muss so oft angepasst werden, wie es die Mitarbeitenden und die jeweilige Aufgabe erfordern. Dabei ist es entscheidend, dass die Führungskraft nicht nur genau weiß, wie die Aufgabe ausgeführt wird, sondern dies auch verständlich vermitteln kann.
3. Unterstützen & partizipieren:
Hohes Maß an Unterstützung der Weiterentwicklung des Mitarbeitenden, mit möglichst wenig Vorgaben.
In diesem Ansatz gibt die Führungskraft mehr Verantwortung an die Mitarbeitenden ab, damit diese die Details der Aufgabe selbst gestalten und eigene Entscheidungen treffen können. Die Führungskraft bleibt jedoch involviert: Dies kann bedeuten, dass gemeinsam an einem Projekt gearbeitet wird oder das die Führungskraft für Fragen zur Verfügung steht und Feedback anbietet.
In dieser Konstellation kann es sein, dass die Mitarbeitenden Fachexperten für die jeweilige Aufgabe sind. Die Rolle der Führungskraft besteht dann darin, Ressourcen bereitzustellen die fachliche Leistung in den größeren Businesskontext einzuordnen und auf dieser Ebene Feedback zu geben.
4. Übertragen / abgeben:
Keine Anweisungen, konkrete Unterstützung und Beteiligung nur bei Bedarf.
In diesem Fall gibt die Führungskraft die Verantwortung an Mitarbeitende ab, die sie als kompetent für die Aufgabe einschätzt und denen sie vertraut.
Das ist wichtig für Aufgaben, bei denen noch gar nicht klar ist, wie sie ausgeführt werden sollen und Projekten, die neue Lösungen erfordern. Die wichtigste Aufgabe der Führungskraft ist es dabei, richtig einzuschätzen, welche Mitarbeitenden für welche Aufgaben geeignet sind und dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen stimmen. Sie greift nur ein, wenn es nötig ist.
Ist es dir beim Lesen dieser kurzen Beschreibungen aufgefallen? Welche Art der Führung passend ist, hängt von mehr ab als nur vom Reifegrad oder nur von den Mitarbeitenden!
Was bedeutet ‚situativ‘? Die 4 Einflussfaktoren auf Führung.
Was bedeutet also ‚situativ passend‘ in unserer komplexen Arbeitswelt?
Es gibt 4 wichtige Faktoren, die alle auf die Situation wirken und die beeinflussen können, welcher Führungsstil in einer Situation möglich und passend ist:
Alle vier Faktoren sind an sich schon vielfältig. Und sie sind alle vier miteinander verbunden und jede Veränderung kann sich auf die anderen auswirken – so dass schnell neue Konstellationen und damit Anforderungen an Führung entstehen.
Selbst wenn wir nur auf die Mitarbeitenden schauen, ist ein allgemeiner ‚Reifegrad‘ schwer zu bestimmen und kann von Projekt zu Projekt, Aufgabe zu Aufgabe ganz unterschiedlich sein. Viele Mitarbeitende haben langjährige Erfahrung in der Branche oder mit den Kunden, während die neuen Tools, Technologien oder Prozesse, mit denen sie arbeiten sollen, ungewohnt sind. Bei anderen ist es genau umgekehrt.
Und ganz entscheidend: Führung ist keine Einbahnstraße, bei der die Mitarbeitenden einfach etwas „bekommen“. Sie ist immer eine individuelle, wechselseitige Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden. Es ist daher nicht nur die Frage, was für die Mitarbeitenden situativ das passende ist, sondern ebenso, was für die Führungskraft situativ machbar ist.
Das liegt auch an der Art der Aufgabe, um die es geht: Der Fall, dass die Führungskraft eine bestimmte Aufgabe auch am besten kennt und dadurch für die Durchführung ganz genaue Anweisungen geben kann, ist in vielen Arbeitskontexten eher ein Sonder- als der Normalfall.
Situativer Führungsstil im Kontext von Unternehmen, Aufgaben und Mitarbeitenden
In vielen Jobs geht es darum, individuell passende Lösungen für eine bestimmte Herausforderung, für einen speziellen Kunden zu finden – da wird vermutlich niemals eine Schritt-für-Schritt Anweisung zum Ziel führen. Manche Aufgaben sind für alle neu, so dass auch die Führungskraft keine genauen Anweisungen und auch wenig Hilfestellung geben kann, wie es funktioniert – selbst wenn sich das in diesem Moment alle wünschen würden. Dann muss Unterstützung und gemeinsames Lernen im Team stattfinden, ganz unabhängig von den jeweiligen Reifegeraden. Und die Aufgabe von Führung ist es, hierfür den Raum und die Möglichkeiten bereitzustellen und auch, dem Team den Rücken freizuhalten und für Verständnis zu werben.
Dazu kommt noch die Ebene des Business – die für mich in den Ausführungen zum situativen Führungsstil oft zu kurz kommt. Egal welche Branche: Jedes Unternehmen hat einen Wertschöpfungsauftrag. Und dieser bringt eigene, situative Anforderungen mit sich. Die Aufgabe der Führungskraft ist es, dafür zu sorgen, dass das Team zur Wertschöpfung des Unternehmens beiträgt. Je nach Abteilung und Job kann dies unterschiedlich direkt oder indirekt sein, aber es muss für jeden im Blick und Teil der Führungsaufgabe sein.
Zu den Fragen: Welche Führung passt in dieser Situation, für diese Aufgabe, am besten zu meinem Mitarbeiter? Und: Welche Führung passt in dieser Situation, für diese Aufgabe am besten zu mir?, kommt die Frage: Welche Führung brauchen die aktuellen und langfristigen Anforderungen des Business?
Kurzfristig geht es dabei zum Beispiel um Lieferdaten, Qualität und spezifische Kundenanforderungen. Langfristig geht es um Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und die Entwicklung des Teams.
In der Praxis des Führungsalltags verbinden sich diese 4 Faktoren zu Fragen wie diesen:
- Wie kann ich mein Team bestmöglich dabei unterstützen, den Auftrag in der vorgegebenen Zeit in guter Qualität fertig zu bekommen? Welche Führung brauchen dazu die einzelnen Mitarbeitenden?
- Wer in meinem Team ist am besten geeignet, eine neue Aufgabe zu übernehmen, und wie kann ich sicherstellen, dass diese*r Mitarbeitende*r die nötigen Ressourcen dafür erhält?
- Wie kann ich Anweisungen für Aufgaben, die wir genau kennen und die sich wiederholen so dokumentieren und vermitteln, dass ich Zeit und Energie spare?
Du kannst hier deine eigenen Fragen ergänzen, die alle zeigen werden, wie vielfältig die situativen Führungsanforderungen sind.
Situativer Führungsstil: 3 Tipps für die Umsetzung in deinem Team
Was also tun, um situative Führung praktisch zu nutzen, ohne Gefahr zu laufen, sie zu einfach auf einen einzelnen Faktor zu beziehen oder sich in der Vielzahl der Einflussvarianten zu verlieren?
Diese Reflexionen und Gespräche können sowohl von dir als engagierter Führungskraft als auch von Mitarbeitenden, die sich passende Führung wünschen, in den Arbeitsalltag integriert werden:
1. Situativer Führungsstil und Ich
Auch wenn klar ist, dass es einen situativen Führungsstil braucht, weil es die eine, beste, immer passende Lösung für alle Situationen und Konstellationen nicht gibt: Wir haben unsere Wünsche und Lieblingsstile und das ist OK.
Mach sie dir bewusst: Entwickle über die 4 Stufen ein Verständnis für die verschiedenen Führungsstile und überlege dir, welche für dich (in der aktuellen Situation 😉) besonders attraktiv sind und wieso.
Vielleicht ist es keine der Stufen, sondern irgendwo dazwischen? Wie gestaltet sich Führung genau an diesem Punkt? Was macht dies so attraktiv für dich?
Vielleicht hast du verschiedene Präferenzen für bestimmte typische Aufgaben oder Situationen? Wieso fühlen genau diese sich dafür so gut an?
Wenn dir bewusst ist, wie du besonders gerne führen (oder geführt werden) möchtest, kannst du dir überlegen: Wie kannst du dies fördern? Durch welche Weiterbildung? Durch welche Rahmenbedingungen?
Und du kannst dich vorbereiten, was dir hilft, bei Bedarf auch anders als auf deine Lieblingsart zu führen (oder geführt zu werden).
2. Situativer Führungsstil und Wir
Mach situative Führung und Führungsstile zum Thema im Team, in Teammeetings und in Einzelgesprächen zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden. Wenn alle am Gespräch Beteiligten die 4 Stufen kennen – und die sind einfach zu erläutern – könnt ihr euch darüber austauschen:
- Welche Art von Führung mögt ihr generell? Was genau mögt ihr daran? Was versprecht ihr euch davon?
- Welche Art von Führung haltet ihr für eine bestimmte Situation oder ein Projekt für passend und wieso?
3. Situativer Führungsstil im Moment
Wenn es für euch normal wird, euch über verschiedene Möglichkeiten der Führung auszutauschen, wird es leichter, situativ zu erkennen und zu formulieren, was wichtig ist. Fangt an, eure Bedürfnisse in Bezug auf Führung zu formulieren und fragt aktiv danach.
Beispielsätze für Führungskräfte:
- Dieser Kunde ist sehr speziell und hat andere Anforderungen als die Kunden, die du bisher bearbeitet hast: Daher werde ich dir für dieses Projekt genau vorgeben, wie es gemacht wird.
- Dies ist ein neues Tool, auch ich kenne es nicht. Ich glaube, du bist am besten geeignet in unserem Team, es auszuprobieren. Sag mir, was du von mir brauchst, um das zu tun. Und berichte uns dann darüber, ob wir dieses Tool für unsere Projekt nutzen sollten oder nicht.
- Soll ich dir genau vorgeben, wie es funktionieren kann – oder möchtest du es selbst ausprobieren und ich gebe dir dann Feedback?
Beispiele für Mitarbeitende:
- Es gibt veränderte Anforderungen im Projekt: Ich brauche klare Anweisungen, wie ich vorgehen soll, um in der vorgegebenen Zeit fertig zu werden.
- Ich wünsche mir mehr Möglichkeiten, mich selbst einzubringen und dich als Feedbackgeber, damit ich dir zeigen kann, was ich alles kann und du gleichzeitig sehen kannst, ob es in deinem Sinne ist.
- Können wir die erste Präsentation gemeinsam halten? Ich würde gerne einmal sehen, wie du es machst und dein Feedback bekommen, bevor ich es dann alleine mache.
Ich hoffe, du hast Lust bekommen, situative Führung in deinen Arbeitsalltag zu integrieren und dich und dein Team dadurch für verschiedenste Herausforderungen vorzubereiten und resilient zu machen.
Wenn du dir dabei Unterstützung wünschst, dann lass uns unverbindlich sprechen: Schreib mir eine E-Mail an kontakt@mohini-ramaswamy.de, nutze mein Kontaktformular oder buch dir einen Kennenlern-Termin: